Zum Nachdenken – Kater Paul-Johann

Zum Nachdenken …
„Wegwerf-Kater“ Paul-Johann

<

Im Jahr 2007 wurde uns von einem Klienten ein kastrierter Kater
in die Praxis gebracht. Er streunte wohl schon geraume Zeit im Wohngebiet dieses Kunden herum, ließ sich aber füttern,
streicheln und wohl auch ohne Probleme einfangen.
Ganz offensichtlich war das Tier den engeren Umgang mit Menschen gewohnt.Bei der klinischen Untersuchung ergab sich bis auf eine reduzierte physische Verfassung und eine geringgradige Blässe der Schleimhäute kaum Auffälliges. Bei der nachfolgenden Blutuntersuchung stellte sich allerdings heraus, dass der etwa 12-jährige Kater mit FIV („Katzen-AIDS“) infiziert war
und an einer wohl damit verbundenen Anämie litt.

Durch entsprechende Medikation und Aufbaukost verbesserte sich der körperliche Zustand des Katers schnell. Über ein kleines – wohl von Kinderhand
geschriebenes – Suchplakat gelang es, die Besitzer des Tieres ausfindig zu machen.

Da wir jedoch telefonisch trotz zahlloser Versuche niemanden erreichen konnten, machten sich unsere Mitarbeiterinnen auf den Weg
direkt zur Wohnung dieser Leute.
Was sie dort erwartete waren üble Beschimpfungen, ja sogar Bedrohungen.
Es war im Wesentlichen aus den Äußerungen zu entnehmen, dass sich das Ehepaar wohl getrennt habe und „kein Bedarf mehr an dem Kater bestünde“.Da der Kater mit FIV infiziert war, gestaltete sich der Versuch,
ihn in gute Hände zu vermitteln als un-möglich.
So ergab es sich fast zwangsläufig,
dass die Praxis auf diesem Tier „sitzenblieb“.
Paul-Johann war ein absolut außergewöhnlicher Kater: völlig frei von jeglichen Aggressionen, dankbar für jede noch so kleine Zuwendung und absolut verträglich mit allem, was vier oder auch nur zwei Beine hatte. Gesellschaft in welcher Form auch immer war stets das Wichtigste für ihn.
So waren auch die Wochenenden – an denen in der Praxis nicht der
gewöhnliche Umtrieb herrschte – die schlimmsten Tage für ihn.
Aber er ließ sich natürlich auch da etwas einfallen.
Man kann ja auch noch im fortgeschrittenen Alter lernen, Türen zu öffnen,
auf diese Art und Weise in die im ersten Stock gelegene Privatwohnung des Tierarztes einbrechen und sich mit seinen drei Hunden
(zwischen 10 und 40 kg schwer) anfreunden,
um sich mit diesen dann auf der wohl eigens dafür vorgesehenen
Couchgarnitur auf der Terrasse in der Sonne zu räkeln.Für Paul-Johanns Charakter gab es eben nur eine Bezeichnung:
Er war einfach „cool“.
Paul-Johann wurde zum festen Bestandteil der Praxis und des Privatbereiches im Hause. Bis auf kleinere Krankheitsschübe – bedingt durch die FIV-Infektion -, die jedoch immer wieder schnell aufgefangen werden konnten, war Paul-Johann immer ein unkomplizierter und vor allem angenehmer Zeitgenosse…
Im Oktober 2010 war es dann soweit. Es gab nur noch einen letzten großen Dienst, den wir Paul-Johann erweisen konnten.
Er musste nicht leiden, er durfte ganz sanft einschlafen…Wir hatten mit Paul-Johann über dreieinhalb Jahre eine schöne Zeit.
Und wir denken, er hatte sie auch mit uns. Er wird in unserer Erinnerung sicherlich für immer ein unvergesslicher „Patient“ bleiben.